Wenn die Liebe leise geht
Warum es nicht egoistisch ist, sich selbst wieder spüren zu wollen.
Viola Borngräber
5/20/20252 min read


„Ich glaube, ich liebe ihn nicht mehr.“
Es ist einer dieser Gedanken, der sich nicht laut ankündigt. Er schleicht sich ein. Erst heimlich, dann hartnäckig. Und irgendwann ist er da – so deutlich, dass man ihn nicht mehr wegschieben kann.
Viele Frauen kennen diesen Moment. Sie stehen morgens auf, machen Frühstück, organisieren den Alltag – und tragen dabei eine Wahrheit mit sich herum, die sich anfühlt wie ein Stein auf der Brust. Eine Wahrheit, die sie oft nicht aussprechen können, weil sie Angst davor haben, was sie damit auslösen. Denn was bedeutet es, wenn die Liebe geht – aber das Leben noch da ist? Wenn der Partner eigentlich ein guter Mensch ist, wenn er sich kümmert, treu ist, verlässlich – aber man selbst keine Nähe mehr spürt? Keine Anziehung. Keine Lust. Keine Sehnsucht.
In Coachings höre ich dann oft Sätze wie:
„Ich will mich trennen, aber ich habe Angst, dass ich es bereue.“
„Ich will frei sein, aber was sage ich den Kindern?“
„Ich habe das Gefühl, ich kann das alles nicht allein.“
Und dazwischen steckt meistens noch ein anderer, schmerzhafter Gedanke:
„Ich finde ihn einfach nicht mehr attraktiv.“
Für viele ist das ein Tabu. Denn körperliche Distanz zu empfinden fühlt sich an wie Verrat. Vor allem, wenn der andere nichts „falsch“ gemacht hat. Und doch ist es ein Gefühl, das nicht ignoriert werden kann – jedenfalls nicht dauerhaft. Was vielen in dieser Situation fehlt, ist nicht nur ein Plan. Es ist Erlaubnis. Die Erlaubnis, überhaupt fühlen zu dürfen, was ist. Denn die meisten Frauen bleiben nicht, weil sie glücklich sind – sie bleiben, weil sie Angst haben.
Angst, ihre Kinder zu verletzen.
Angst, allein nicht zurechtzukommen.
Angst, sich selbst irgendwann zu verurteilen, weil sie gegangen sind.
Und gleichzeitig ist da dieser leise Ruf nach mehr. Nach Freiheit. Nach Lebendigkeit. Nach dem Gefühl, sich selbst wieder zu spüren.
Aber wie geht man mit diesem inneren Konflikt um, wenn es kein Schwarz oder Weiß gibt? Wenn man zwischen Pflicht und Sehnsucht hin- und hergerissen ist? Wenn das Herz schon leise Abschied nimmt, aber der Verstand noch nicht loslassen kann?
Der erste Schritt ist, sich selbst ehrlich zuzuhören.
Ohne gleich handeln zu müssen.
Ohne Druck.
Aber mit Offenheit.
Es geht nicht darum, sofort eine Entscheidung zu treffen. Sondern darum, Raum zu schaffen für die Frage: „Was brauche ich wirklich?“
Oft ist es hilfreich, sich einige Fragen bewusst zu stellen:
Was fehlt mir in dieser Beziehung – körperlich, emotional, geistig?
Was halte ich zurück, um niemanden zu verletzen?
Was glaube ich, über mich denken zu müssen, wenn ich bleibe – und was, wenn ich gehe?
Was wünsche ich mir – ganz unabhängig von all den Erwartungen anderer?
Und wenn ich heute eine neue Geschichte schreiben könnte: Wie würde sie beginnen?
Diese Fragen liefern keine schnellen Antworten, aber sie öffnen Türen. Türen zu dir selbst. Denn das, was du fühlst, ist nicht falsch. Es ist ein Wegweiser. Vielleicht noch kein Ziel – aber ein Anfang.
Und manchmal beginnt Veränderung nicht mit einer dramatischen Entscheidung. Sondern mit einem stillen Satz wie: „Ich will das so nicht mehr.“
Wenn du dich in diesen Zeilen wiederfindest:
Du bist nicht allein. Und du bist nicht falsch.
Du bist auf dem Weg – zurück zu dir.